1955 - Gastarbeiter unterstützen die Wirtschaft

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© Ferdinand Hartung Landesarchiv des Saarlandes

Nach den schweren Nachkriegsjahren und der Phase des Wiederaufbaus folgte ein Boom der deutschen und auch saarländischen Wirtschaft, die sogenannte "Wirtschaftswunderzeit". Das stellte Deutschland und somit auch das Saarland vor Herausforderungen, denn es mangelte an Arbeitskräften. Anwerbeabkommen mit anderen Staaten sollten hier Abhilfe leisten.

By Zeitzeug:innen

Die Saar traf bereits 1949 ein erstes Anwerbeabkommen mit der italienischen Regierung, um arbeitswillige Italiener ins Saargebiet zu ziehen, die die saarländische Wirtschaft mit ihrer Arbeitskraft unterstützen und dadurch die Arbeitslosenquote im Land Italien sinken sollte. Vor allem im Wohnungsbau und in der Stahlindustrie fehlten im Saarland große Mengen Arbeiter. Nach dem Wiederanschluss an die BRD galt auch für das Saarland das 1955 abgeschlossene Abkommen, welches der Bundesarbeitsminister Anton Storch (CDU) und der italienische Außenminister Gaetano Martino beschlossen hatten. Die Gastarbeiter kamen meist aus der Region um Neapel, Sizilien oder Kalabrien und waren meist auf dem Bereich des Bauens von Wohnraum und Straßen oder in der Montanindustrie beschäftigt.

Nach Ablauf der Aufenthaltsfrist, so sah es der Vertrag vor, sollten sie wieder zurückkehren zur Familie, was als sogenanntes Rotationsprinzip angedacht war. Doch viele von ihnen blieben, holten die Familie nach und nannten von nun an die Republik und auch das Saarland neue Heimat.

Um die Reise ins Ungewisse zu bestreiten, wurden den Arbeitskräften auch Steine in den Weg gelegt: Medizinische Untersuchungen auf Geeignetheit mussten bestanden werden, dann die lange Fahrt nach Deutschland. In der neuen "Heimat" wurde eine andere Sprache gesprochen, fast keine Deutschkurse angeboten und eine ganz andere kulturelle Umgebung traf auf sie. Hinzu kamen die schlechten Arbeitsbedingungen: Der Stundenlohn betrug zwischen 2,56 DM und 3,11 DM bei zumeist körperlich anstrengender Arbeit, vor allem in den Fabriken und im Wohnungsbau. Für die Arbeiter war es deshalb äußerst schwierig die noch in Italien lebende Familie davon zu ernähren. Die klimatische Umstellung sowie der allgegenwärtige Ruß und Dreck, wenn sie denn auf den Hütten oder in der Nähe dieser tätig waren, war für die Arbeiter befremdlich. Auch die Unterbringung war zum Teil katastrophal: Viele wohnten eng zusammengepfercht in Baracken und Bauwagensiedlungen und ohne sanitäre Einrichtungen. Verbesserungen dieser Situation gingen nur schleppend voran. Erst 1976 wurden die letzten Arbeiter-Baracken am Matzenberg in Burbach abgerissen und die dort lebenden Familien in städtische Wohnungen umgesiedelt. 

Doch die italienische Kultur hat bis heute einen großen Einfluss auf die saarländische beziehungsweise Deutsche Kultur und nach und nach kam es zur Integration: italienische Eisdielen eröffneten, die deutsche Küche tastete sich an die italienische heran, es gab verschiedene landestypische Spezialitäten und Läden oder auch Modetrends italienischer Modelabels, wie Gucci.

Die Anwerbeabkommen zogen rund

14 Millionen

Arbeitskräfte bis in die 1970-er Jahre in die BRD.

Neben Italien hat die BRD auch in den 1960-er Jahren mit anderen Staaten Abkommen abgeschlossen: 1960 mit Spanien und Griechenland, 1961 mit der Türkei, und im Verlaufe der nächsten Jahre zudem mit Marokko, Portugal, Tunesien und dem ehemaligen Jugoslawien.

Bis in die 1970er Jahre hinein kamen dadurch 14 Millionen Arbeitskräfte in die Republik.

Als die Ölpreis-Krise 1973 weltweit die Wirtschaft stagnieren ließ, waren rund 2,5 Millionen Gastarbeitende in der Republik beschäftigt, die aufgrund des Anwerbestopps der Bundesregierung dazu veranlasst wurden wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Doch viele, vor allem aus dem sich zur damaligen Zeit befindlichen Bürgerkriegsland Türkei, ließen sich in Deutschland dauerhaft nieder.

Mehr zum Thema Anwerbeabkommen und Gastarbeiter gibt es hier: https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/324552/erstes-anwerbeabkommen-vor-65-jahren/

1965: Benvenuti? Italienische Gastarbeiter im Saarland

1965: Benvenuti? Italienische Gastarbeiter im Saarland

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