Zeitzeug:innen-Gespräche

Erfahrungsbericht eines Interviewers

Autor

Paul Niklas Langer ist Student der „Deutsch-Französischen Studien: Grenzüberschreitende Kommunikation und Kooperation“ an der Universität des Saarlandes und Interviewer beim Projekt "Zeitzeug:innen im Saarland|Erinnerung. Multimedial.".
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Paul Niklas Langer berichtet über die Herangehensweise und beschreibt welche Erfahrungen und Eindrücke er bei den Zeitzeug:innen-Gesprächen gesammelt hat.

Wir leben in einer Zeit, in der Geschichte mit nur wenigen Klicks erreichbar ist. Sei es die Französische Revolution, die Abenteuer Alexanders des Großen oder der Überlebenskampf der Ureinwohner Amerikas. Hunderte Artikel in allen möglichen Sprachen beschäftigen sich mit vergangenen Zeiten. Aber kein Artikel, kein Aufsatz, kein Bericht kann in Dir selbst so viel bewirken, wie die Erzählungen von Menschen, die Geschichte selbst miterlebt und beeinflusst haben. Die Rede ist von Zeitzeugen.

Projekte mit Zeitzeugen sind nicht neu: Zig Zeitzeug:innen-Gespräche über den Zweiten Weltkrieg und die Zeit in der DDR sind im Netz zu finden.  Ein Bereich wurde bisher jedoch kaum beleuchtet: Die Geschichte des Saarlandes ab dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Und gerade diese Epoche ist in unserer Heimat weit unterschätzt. Saarabstimmung, Teilautonomie, der Soldatenmord in Lebach, das historische 6:1 des 1. FC Saarbrücken gegen Bayern München - das sind nur einige Beispiele einer bewegten Saargeschichte, die sich nach 1945 ereignete. Und genau diese sollte audiovisuell für immer festgehalten werden.

Als ich das erste Mal von diesem Projekt erfuhr, war meine Begeisterung direkt geweckt. Eindrücke über längst vergangene Ereignisse von Menschen zu erfahren, die so viel Spannendes persönlich miterlebt haben, das fand ich aufregend! Zusätzlich noch dazu beitragen, dass die Geschichte meiner Heimat festgehalten wird? Das klang für mich nach einem großartigen Projekt. Bewerbung geschickt, Daumen gedrückt und dann die Zusage erhalten – lief also alles optimal und die Arbeit konnte beginnen.

Durch meine bisherigen journalistischen Erfahrungen wusste ich, dass mir das Interview bzw. Gesprächs-Format sehr gut liegt. So etwas wie Zeitzeug:innengespräche hatte ich aber noch nie geführt. Bisher gehörten Straßenumfragen, Interviews in einer Diskussionsrunde oder auch kurze Interviews mit Einzelpersonen eher zu meinem Metier. Jetzt sollte ich immer mindestens eine Stunde am Stück ein persönliches Gespräch führen. Ich musste mich also auf etwas Neues einstellen. Deshalb war einerseits die Aufregung verständlich, andererseits aber auch die Freude vor meinem ersten Einsatz als Interviewer groß!

Bei meinem ersten Termin hatte ich sogar die Ehre, das erste Zeitzeug:innngespräch des gesamten Projektes führen zu dürfen und somit auch das „Zeitzeugen im Saarland | Erinnerung. Multimedial.“ – Projekt zu eröffnen. Mein erster Gesprächspartner war Herr Günter Georgi. Ein ehemaliger Bankkaufmann und Sportjournalist aus der DDR, der aufgrund eines kabarettistischen Auftritts aus der DDR mit seiner Familie ins Saarland fliehen musste. Hier machte er als Fotograf und Sportreporter in den Diensten des Saarländischen Rundfunks und der Saarbrücker Zeitung auf sich aufmerksam. Er ist ein umtriebiger Mensch, der viel erlebt und gesehen hatte.

Wie geht man am besten in so ein Gespräch rein habe ich mich im Vorhinein gefragt. Muss ich bestimmte Themen vermeiden? Welche Fragen stelle ich? Kleide ich mich schick oder alltäglich? Alles Gedanken, die mir durch den Kopf schwirrten. Im Endeffekt muss ich aber konstatieren, dass ich mir viel zu viele Gedanken gemacht habe. Zu großer mentaler Stress schadet nur der angenehmen Atmosphäre, in der die Gespräche stattfinden sollen. Nach meinem ersten Termin war ich sehr beeindruckt. Die Erfahrungen, die Herr Georgi gemacht hatte, beschäftigten mich die gesamte Heimfahrt und noch die Tage danach. Wer die Erfahrungen auch kennenlernen möchte, dem lege ich das Interview mit ihm wärmstens ans Herz. Ein interessanter Start, der Lust auf mehr machte!

Ähnlich lief es nach meinen weiteren Gesprächen mit saarländischen Zeitzeug:innen ab. Jeder Termin beeinflusste im Nachhinein meine Gedankenwelt auf seine eigene Art und Weise. Ich ließ das Gesagte noch einmal Revue passieren. Bestimmte Passagen beschäftigten mich länger. Und dabei rede ich nicht nur von besonders schlimmen Ereignissen, von denen mir im Laufe des Gespräches berichtet wurde. Nein, auch schöne und beeindruckende Berichte blieben hängen.

An dieser Stelle möchte ich kurz auf mein zweites Zeitzeugen-Gespräch mit Herrn Manfred Baumgärtner eingehen. Er ist der Mann, der den letzten Hochofen auf der Völklinger Hütte heruntergefahren hat. Er erzählte mir voller Begeisterung von seinem abenteuerlichen und auch gefährlichen Beruf als Hochöfner auf der Völklinger Hütte. Denselben Enthusiasmus legt er trotz seiner über 80 Jahre immer noch an den Tag, wenn er Führungen durch sein Herzstück, die Völklinger Hütte gibt. Solche Geschichten beeindrucken mich einfach. Sich vorzustellen, wie er anfangs noch ohne Schutzkleidung am Hochofen arbeitete, ist unglaublich spannend. Die Geschichte von dem ehemaligen saarländischen Bergmann Horst Schmadel war ebenfalls sehr eindrucksvoll. Wie viel ihm die Kameradschaft unter und über Tage bedeutete, konnte man aus fast jedem seiner Berichte über seine Zeit als Bergmann heraushören. Schauen Sie sich beide Geschichten an, liebe Leserinnen und Leser. Es lohnt sich. Versprochen!

Zu den Gesprächen mit Zeitzeug:innen reisen wir immer in einem Team an, bestehend aus Maskenbildnerin, Kameramann, einer Projektmitarbeiterin und dem Interviewenden. Dies kann erdrückend auf einen Zeitzeugen wirken. Auch sind einige meiner Fragen von sehr persönlicher Natur gewesen. Trotzdem wurden wir stets mit einer großen Herzlichkeit empfangen. Ich erinnere mich gerne an meinen Termin bei der Künstlerin Marianne Aatz in Oberlöstern bei Wadern. Dort wurden wir empfangen mit Schnittchen aus würzigem Käse, guter gesalzener Butter, einem regionalen Krustenbrot und einer Tasse Kaffee – ein toller Einstieg in das bevorstehende Gespräch.

Sobald dann mal die Kamera und das Mikrofon an waren, spielte die Zeit für mich nur noch eine Nebenrolle. Ich konzentrierte mich auf meine thematischen Eckpfeiler und versuchte durch die Fragen, das Gespräch thematisch nach dem von mir im Vorhinein erstellten Plan zu führen. Jedoch muss ich auch ehrlicherweise zugeben, dass die Anforderungen für mich als Interviewer teilweise mit dem zunehmenden Alter der Gesprächspartner anstiegen. Trotzdem konnten wir als Team nach jedem Gespräch zufrieden den Drehort mit der Gewissheit verlassen, einen weiteren nützlichen Beitrag zur Festhaltung der saarländischen Geschichte geleistet zu haben.

Abschließend kann ich nur nochmals hervorheben, wie spannend es ist, mit saarländischen Zeitzeug:innen über die Geschichte unserer gemeinsamen Heimat zu sprechen. Die Erfahrungen, die diese Menschen gemacht haben, die unterschiedlichen Blickwinkel auf die Geschichte, die verschiedenen Eindrücke, all das fügt sich letztendlich zu einem Gesamtbild auf einer für das Saarland unglaublich wichtigen und aufregenden Plattform zusammen. Ein Teil der Geschichte unserer Heimat wurde hier für Sie in der modernsten Form festgehalten und für jedes Ihrer unterschiedlichen Interessengebiete, sei es der Sport, die Kultur, die Politik oder die Wirtschaft, ist hier mehr als genug geboten. Genießen Sie die Inhalte und lassen Sie sich in eine andere Zeit zurückversetzen. Ich für meinen Teil bin sehr stolz, ein Teil des Projekts zu sein und wünsche Ihnen eine unterhaltsame und lehrreiche Zeit beim Anschauen unserer Zeitzeugen-Gespräche!

Herzliche Grüße

Paul Niklas Langer, Student der „Deutsch-Französischen Studien: Grenzüberschreitende Kommunikation und Kooperation“ an der Universität des Saarlandes

 

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